Das Interview mit Birgit Erbe vom Verein Frauenakademie München e.V.
Bitte stellen Sie Ihren Verein Frauenakademie München e.V. (FAM) kurz vor. Welche Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Verein und gab es ein ausschlaggebendes Ereignis, welches die Gründung Ihres Vereins förderte?
Die FAM – Frauenakademie München e.V. folgt dem Ziel, die Gleichstellung und Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen zu fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt die FAM einen physischen wie auch ideellen Raum für feministische Debatten und gleichstellungspolitische Einmischung zur Verfügung und führt zahlreiche Projekte durch.
Diese liegen in den Arbeitsfeldern Wissenschaft und Forschung, politische Bildung, berufliche Beratung sowie in der Vernetzung von Gleichstellungspraxis und Forschung. Dabei stärkt die FAM Frauen in ihrer persönlichen, beruflichen und politischen Handlungskompetenz und zeigt Wege zu einem selbstbestimmten Zusammenleben aller Menschen auf.
Zur FAM-Gründung führten die Erfahrungen junger Münchner Forscherinnen Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre in einer männerdominierten Wissenschaft, die Frauen marginalisierte und ihre Themen nicht ernst nahm. Deshalb war die Vision der Gründerinnen, die Schaffung eines Ortes des „Durchatmens“ und einer „Schule der Einmischung“. So sollten dort Debatten frei von männlicher Dominanz geführt werden können und die Frauen sich gegenseitig stärken und unterstützen. Gleichzeitig wollten sie sich als Feministinnen in allen Bereichen, also nicht nur bei „Frauenthemen“, einmischen und mit ihren wissenschaftlichen Ergebnissen gesellschaftliche Prozesse prägen.
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Die Frauenakadamie wurde 1984 gegründet. Wie hat sich Ihr Verein seitdem entwickelt und welche Höhen und Tiefen gab es in dieser Zeit?
Die Anfangsphase muss einerseits sehr mühsam gewesen sein, weil in den ersten zehn Jahre die Arbeit weitgehend unbezahlt gestemmt werden musste. Neben ihrem Beruf als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und teilweise auch mit kleinen Kindern organisierten die Frauen in den Anfangsjahren bereits verschiedene bundesweite und zum Teil auch international ausgerichtete Tagungen zur Frauenforschung – und das Ganze ohne ein Vereinsbüro mit entsprechender Infrastruktur.
Auch stießen sie immer wieder auf Ablehnung und wurden von potentiellen Geldgebern nicht ernst genommen. Andererseits genossen die Gründerinnen und Frauen der ‚ersten Stunde‘ ihre Unabhängigkeit, die Solidarität untereinander und auch die Erfolge, die sie erzielten, indem die FAM sich immer weiter institutionalisierte, feministische Tagungen erfolgreich durchgeführt wurden, die
Förderung von Forschungsprojekten gefunden wurde und schließlich auch eine Geschäftsstelle eingerichtet werden konnte. Parallel etablierte sich in der FAM ab Ende der 1980er Jahre die berufliche Beratung, die zunächst als berufliche Orientierung begann und dann sukzessive um Trainings- und Weiterbildungsangebote sowie um das Expertinnenberatungsnetz ausgebaut wurde. Aus dem Expertinnenberatungsnetz ist inzwischen ein offenes Mentoringprogramm geworden, das allen Frauen mit qualifizierter Berufsausbildung im Großraum München offensteht und über einen Pool von fast 100 Mentorinnen verfügt (MOVE!-Servicestelle der Frauenakademie München, https://frauenakademie.de/beratung/move-servicestelle). Ergänzt wird das Angebot um eine Beratung für Wiedereinsteiger_innen nach einer beruflichen Auszeit aufgrund von familiärer Sorgearbeit sowie zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege (power_m, https://frauenakademie.de/beratung/powerm). Im Beratungsbereich arbeiten heute acht hauptamtliche Frauen.
Im Forschungsbereich gelang die Anerkennung als außeruniversitäre Forschungseinrichtung mit einer Grundförderung ab 1996 seitens des bayerischen Wissenschaftsministeriums. Auf dieser Basis konnten zahlreiche Forschungsprojekte initiiert und weitere Forschungsdrittmittel akquiriert werden, wie zum Beispiel ein trinationales Projekt zu Gleichstellungsstrategien an Universitäten im 6. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union oder aktuell ein BMBF-gefördertes Verbundprojekt zum Thema „Gutes Leben – Gutes Care: Innovative Sorgestrukturen und konkrete Praxis sozialräumlich verankern“.
Welche Mittel setzen Sie ein, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen zu fördern? Welche Erfolgen haben Sie hier bereits erzielt?
Im Bereich der Forschung untersuchen wir die gesellschaftliche Situation der Geschlechter sowie Formen und Mechanismen bestehender Ausgrenzungs- und Marginalisierungsprozesse, um daraus Wege der Veränderungsmöglichkeit hin zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft zu entwickeln und aufzuzeigen. Hierfür stehen wir in engem Austausch mit Gleichstellungspraktiker_innen, organisieren Workshops und Tagungen und beraten Organisationen und politische Gremien. Thematisch standen hier in den letzten Jahren die Hochschulen, die öffentlichen Verwaltungen sowie der private Bereich der Pflege und Versorgung alter Menschen durch Angehörige und das nachbarschaftliche Umfeld im Fokus. Ein noch recht junges Forschungsfeld ist das Thema Co-Elternschaft, das uns insbesondere unter dem Aspekt der Aushandlung von Eltern- und Geschlechterrollen sowie von Care-Arrangements interessiert.
Darüber hinaus geht es uns darum, Frauengeschichte und dabei insbesondere die Geschichte der Frauenbewegungen zu bewahren und sichtbar zu machen. So haben wir zum Beispiel das Archiv der Münchner Frauengesundheitsbewegung aufgebaut, das vielfältige Zeugnisse dieser sozialen Bewegung aus der Zeit von 1968 bis 2000 versammelt und über das Münchner Stadtarchiv öffentlich zugänglich ist.
Im Bereich der politischen Bildung greifen wir aktuelle gesellschaftspolitische Themen auf und beleuchten sie aus einer Geschlechterperspektive. Dabei geht es beispielsweise um Fragen, wie sich die Digitalisierung auf die Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben auswirkt, aber auch um Strategien gegen Cybermobbing und Hate Speech. Weitere Themen sind der Klimawandel, alternative Wirtschaftsformen und der erstarkende Rechtspopulismus. Damit wollen wir sowohl Impulse für die gesellschaftspolitische Debatte setzen als auch zur kritischen Meinungsbildung beitragen.
Die arbeitsmarktbezogenen Projekte der FAM beraten im Jahr etwa 500 Frauen in allen beruflichen Fragen von Neu- oder Umorientierung, Wiedereinstieg, Karriereplanung, Gehaltsverhandlungen bis zu Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit oder Konflikten am Arbeitsplatz. Dabei wird berücksichtigt, dass sich Frauen und Männer in der beruflichen Orientierung und in den Berufskarrieren unterscheiden und die gesellschaftlichen Bedingungen Frauen häufig den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren und im Berufsleben behindern. Beraten werden aber auch Männer, soweit es um ihren Wiedereinstieg nach einer Familienphase oder die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf geht. Darüber hinaus informieren die FAM-Mitarbeiterinnen zu den Themen von Karriere und Beruf auf Messen, in Elternzentren, bei Bildungsfesten, aber auch auf Unternehmensveranstaltungen.
Sind Frauen heute gleichberechtigt oder werden sogar bevorzugt? Wie stehen Sie bzw. wie steht Ihr Verein dazu?
Rechtlich sind Frauen und Männer gleichgestellt, aber faktisch ist die Gleichberechtigung noch nicht erreicht. Da das Thema Geschlechtergleichstellung vergleichsweise präsent ist und einige prominente und einflussreiche Positionen gegenwärtig von Frauen besetzt sind, entsteht offenbar bei manchen der Eindruck, dass Frauen inzwischen bevorzugt würden. Die Fakten sprechen aber eine andere Sprache. Um nur einige Beispiele zu nennen: In prekären Beschäftigungsverhältnissen finden sich weitaus mehr Frauen als Männer, demgegenüber sind Männer in Dax-Vorständen nach wie vor weitgehend unter sich. Der Frauenanteil in den Parlamenten liegt selten über einem Drittel und ist bei den letzten Wahlen wieder gesunken. Unter den Professor_innen sind sogar nur ein Viertel weiblichen Geschlechts.
Die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern (Gender Pay Gap) liegt in Deutschland bei 21%, die Rentenbezüge von Frauen betragen sogar nur 60% der Bezüge von Männern. Zeitnutzungsstudien verdeutlichen, dass Frauen eine höhere Belastung als Männer haben, wenn die Arbeitszeiten aus bezahlter und unbezahlter Tätigkeit zusammengerechnet werden. Es ist noch ein weiter weg bis zur tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter, weil sich die gesellschaftlichen Strukturen, organisationalen Praktiken und individuellen Einstellungen nur sehr langsam verändern. Und gleichzeitig erleben wir wieder verstärkt offen geäußerte Frauenfeindlichkeit und Bestrebungen, Errungenschaften der Gleichberechtigung abzuschaffen.
Wie kann man selber bei Ihnen Mitglied werden? Was erwartet mich als Mitglied bei Ihnen?
Mit einer Mitgliedschaft sind Sie eingebunden in ein großes Netzwerk von Frauen aus der Wissenschaft, Wirtschaft, öffentlichen Verwaltung, aus NGO’s und vielen weiteren Bereichen. Sie werden regelmäßig informiert über die FAM-Aktivitäten und erhalten die Einladungen zu unseren Veranstaltungen. Es gibt Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen und einen FAM-Tisch. Außerdem tragen Sie mit Ihrer Mitgliedschaft dazu bei, die Frauenakademie München als wichtige politische und kulturelle Einrichtung für Frauen zu erhalten. Einfach den Aufnahmeantrag (https://frauenakademie.de/images/pdf/FAM-Beitritt_2018.pdf) ausfüllen und an den Vorstand schicken.
Können Männer bei Ihnen auch Mitglied werden?
Männer sind uns als Unterstützer unserer Anliegen herzlich willkommen.
Vielen Dank, Birgit Erbe. Wir von ExpertenTesten wünschen Ihnen und dem Verein Frauenakademie München e.V. weiterhin viel Erfolg!
Über die Redakteurin
Laura Hoffmann
Laura Hoffmann arbeitet als freie Redakteurin seit 2016 für expertentesten.de. Ihr Kernbereich liegt dabei in der Recherche spannender Interviewpartner aus den Ressorts Kultur, Sport und Wirtschaft.